Das hatte ich mir ein bisschen anders vorgestellt.
Eigentlich wollte ich ja bis zum Jahresende jeden Tag einen Beitrag über eine oder mehrere Serien veröffentlichen, die mein Serienjahr 2022 ausgemacht haben. Immerhin: Auf 16 Blogbeiträge bin ich gekommen. Dann hat mich eine heftige Erkältung erwischt und ans Schreiben war erstmal nicht mehr zu denken.
Trotzdem: So ganz ohne vernünftigen Abschluss möchte ich dieses Vorhaben nicht lassen. (Ich bin ja nicht Netflix.) Deshalb habe ich eine abschließende Übersicht erstellt: Mit allen Serien, für die es schon einen eigenen Blogbeitrag im Rahmen dieser Reihe gab und mit allen, für die es noch Blogbeiträge geben sollte. Für diese habe ich jeweils einen kurzen Text geschrieben. Außerdem habe ich über einige Frauenpaare geschrieben, über die ich mich in diesem Jahr gefreut habe. Und last but not least gibt es auch wieder eine Playlist mit Videos zu meinen Serien-Highlights 2022.
Direkt zur Playlist geht es durch einen Klick auf das Bild:
Ich wünsche euch einen guten Jahreswechsel und bin gespannt, über welche Serien wir uns im kommenden Jahren aufregen, ärgern oder freuen. Wenn ihr wissen möchtet, welche das bei mir sind, schaut gern weiterhin hier vorbei.
Über diese Serie haben sich wahrscheinlich mehr Menschen aufgeregt, als sie tatsächlich gesehen haben. Was schade ist, denn sie zeigt Figuren und Perspektiven, die im deutschen Fernsehen immer noch sehr selten zu sehen sind.
In Becoming Charlie geht es um einen jungen Menschen auf der Suche nach der eigenen Identität. Charlie fühlt sich nicht als Frau. Aber heißt das damit automatisch, dass Charlie ein Mann ist? Im Freundeskreis, vor allem bei der besten Freundin eckt Charlie an. Erst durch die Begegnung mit der Studentin Ronja eröffnen sich für Charlie neue Perspektiven, sich selbst zu definieren. Das ist gar nicht so einfach, zumal in Charlies Leben gerade so einiges schief läuft. Das Geld ist knapp, die shoppingsüchtige Mutter geht aber lieber einkaufen, statt die Stromrechnung zu bezahlen. Mit Tante Fabia gibt es Stress, nachdem Charlie ihr im Streit das Auto zerkratzt. Und zu allem Überfluss ist dann auch noch der Job beim Lieferdienst weg. Ausgerechnet bei Fabia und deren Frau Maya erhält Charlie schließlich Unterstützung.
Becoming Charlie wurde vom ZDF bewusst für die Mediathek konzipiert und in einem beschleunigten Produktionsprozess hergestellt. Dementsprechend knapp waren Zeit und Budget, wie Kerstin Polte, eine der Regisseurinnen, bei einem Panel im Rahmen der re:publica im Sommer erzählte (Hier geht es zu meinen Tweets über das Panel). Die Serie hat daher leider auch nur sechs Folgen mit einer Länge von ca. 15 Minuten.
Aber immerhin: Besser als nichts. Denn die Serie bringt Vielfalt zumindest in eine öffentlich-rechtliche Mediathek, die da sonst häufig noch fehlt. Neben einer nicht-binären Hauptfigur gibt es u.a. ein Männer- und ein Frauenpaar, eine davon eine Woman of Color. Dass die Serie in einer tristen Hochhaussiedlung spielt, die Figuren für Lieferdienste fahren und Geldsorgen haben, räumt zudem mit dem Vorwurf auf, die LGBTQ* Community bestünde nur aus privilegierten Besserverdienenden und die “normale”, hart arbeitende Bevölkerung habe ganz andere Probleme. Gerade die Menschen, die so etwas behaupten, werden die Serie aber leider wohl niemals sehen.
(Auf das Bild klicken, um den Trailer auf YouTube zu sehen)
Alle Folgen von „Becoming Charlie” sind weiterhin in der ZDF-Mediathek verfügbar.
Im Oktober 2012 habe ich zum ersten Mal eine Übersicht mit queeren Frauenfiguren in deutschen Serien veröffentlicht. Seitdem hat sich nicht nur die internationale, sondern auch die deutsche Serienwelt weiterentwickelt. Und trotzdem: In Sachen Vielfalt haben viele deutsche Produktionen immer noch Nachholbedarf.
“Marbecca” Marlene & Rebecca aus Verbotene Liebe (links) und “Mieke” Miriam & Rieke aus In aller Freundschaft (Bilder: ARD/ Glitsch bzw. MDR/Saxonia Media/Wernicke)
Wer hier schon ein bisschen länger mitliest weiß, dass ich mich regelmäßig mit der Frage beschäftige, welche queeren Frauenfiguren es in deutschen Serien gibt und vor allem wie viele.
Angefangen hat das im Oktober 2012. Ich habe zwar auch schon vorher über frauenliebende Frauen in deutschen Serien geschrieben, jedoch nur punktuell und anlassbezogen. Die Veröffentlichung der Studie “Where We Are on TV“, die regelmäßig von der amerikanischen Lobby-Organisation GLAAD herausgegeben wird, hat mich aber 2012 dazu gebracht, mal zu überlegen, wie es eigentlich allgemein in deutschen Serien aussieht. Das Ergebnis war ernüchternd, insbesondere im Vergleich mit den Zahlen aus den USA. Ich kam auf acht Figuren in sieben Serien: Rebecca und Marlene von Lahnstein (alias “Marbecca”) in Verbotene Liebe, Tanja Schildknecht in Lindenstraße, Bärbel Schmied in Mord mit Ausschicht, Lucy Palm ind Hannah Mangold & Lucy Palm, Dr. Heike Steinbeck in Die Chefin, Dr. Helga Dunkel in Einsatz in Hamburg und Karin von Lomanski in Rosa Roth.
Mehr Frust als Lust
In den vergangenen zehn Jahren hat sich diese Zahl zum Glück zum Positiven entwickelt, wenn es auch anfangs nicht so aussah. Tatsächlich wurde die Liste zunächst sogar kürzer statt länger. Das hing auch damit zusammen, dass 2015 Verbotene Liebe eingestellt wurde, bis dahin ein verlässlicher Lieferant queerer Storylines wie z.B. die von “Marbecca”. Die noch verbliebenen “Dailies”, insbesondere in der ARD, taten sich dagegen schwer mit Liebesgeschichten zwischen Frauen. 2016 war ich von der Entwicklung insgesamt so frustriert, dass ich mir in einem “Rant” auf meinem Blog Luft machte. Kurz danach durfte ich dazu auch einen Artikel für die taz schreiben.
Besser wurde es leider trotzdem nicht, zumindest nicht sofort. Erst 2019 sah ich Anlass für vorsichtigen Optimismus und schrieb dazu, nach drei Jahren Pause, auch wieder einen Blogbeitrag. Dieser Optimismus hat sich zwar nicht vollständig bestätigt, aber immerhin konnte ich in den Folgejahren immer mal wieder neue Figuren in die Übersicht aufnehmen.
Was mich zu heute führt und der Frage, wo wir eigentlich gerade stehen, zehn Jahre nach der ersten Liste.